Forschung

Gütekraft Forschungen

In vielen Konflikten schädigen sich die Gegner gegenseitig, doch in der Familie oder unter Freunden werden viele Konflikte unbewusst eher mit Gütekraft gelöst. Damit die im Alltag so selbstverständliche Gütekraft mehr und bewusst praktiziert werden kann, untersucht die Gütekraft-Forschung gelungene Beispiele in der Geschichte, und wir verweisen hier auf uns bekannte Forschungen.


Unsere eigene Aufgabe besteht darin, dem, was über Gütekraft bekannt ist, zur Anwendung zu verhelfen und dazu beizutragen, dass die Anwendung gütigen Verhaltens als stärkeres und nachhaltigeres Instrument erkannt wird, als die Anwendung von Gewalt.


In dem Zusammenhang könnte unsere Stiftung helfen,


  • Werke aus dem Englischen zu übersetzen und
  • eine Gütekraft-Konferenz zu organisieren, zu der wir Fachleute nach Deutschland einladen.


Vielleicht beides in Kooperation mit der Uni Essen.


Weitere Quellen:

Prof. Chenoweth und Prof. Stephan

Prof. Erica Chenoweth (University of Denver) und Prof. Maria J. Stephan (strategic planner, U.S. Department of State) haben 323 Kampagnen des gewaltlosen und gewaltsamen Widerstands in den Jahren 1900 bis 2006 untersucht, die mindestens 1000 Teilnehmer hatten und die zu einer Veränderung der Regierung oder territoriale Veränderung geführt haben. Ihr Ergebnis ist, dass Kampagnen des gewaltlosen Widerstands mehr als doppelt so erfolgreich sind wie gewaltsame.


Sie kombinieren statistische Analysen mit Fallstudien bestimmter Länder und Gebiete, und stellen fest, dass gewaltloser Widerstand weniger Hindernisse für moralische und physische Beteiligung und Verpflichtung darstellt. Stärkere Beteiligung trägt zu erhöhter Resilienz, größeren Möglichkeiten für taktische Innovation und zivile Störungen bei (und daher weniger Anreize für ein Regime, den Status quo aufrechtzuerhalten), sowie zu Veränderungen in der Loyalität bei ehemaligen Unterstützern der Gegner, einschließlich Mitgliedern des Militärestablishments.


Chenoweth und Stephan kommen zu dem Schluss, dass erfolgreicher gewaltloser Widerstand langlebigere und intern friedlichere Demokratien herbeiführt, die weniger dazu neigen, in Bürgerkriege zurückzufallen. Mit einer reichen, evidenzbasierten Argumentation vergleichen sie originell und systematisch gewalttätige und gewaltfreie Ergebnisse in verschiedenen historischen Perioden und geografischen Kontexten und entlarven dabei den Mythos, dass Gewalt aufgrund struktureller und Umweltfaktoren notwendig sei, um bestimmte politische Ziele zu erreichen. Stattdessen entdecken die Autoren, dass gewaltsamer Aufstand selten aus strategischen Gründen gerechtfertigt ist. 

Quellen und weitere Arbeiten von Erica Chenoweth:

Dr. Martin Arnold

Dr. Martin Arnold sieht die Überwindung egozentrischer Befangenheit als eine der Voraussetzungen für den Einsatz von Gütekraft:


"Die Wirkungsvorstellungen bei den erfolgreich angewandten Konzepten, die ich untersucht habe, zeigen, dass dieses Handeln durch ein bestimmtes Selbstverständnis geprägt war. Dessen Elemente sind Bestätigung des Eigenen (Fundierung), sich in Beziehungen zur Mitwelt verstehen (Relationierung) und den eigenen Standpunkt nicht absolut setzen (Relativierung) sowie die Bereitschaft, auf diesem Weg weiter zu lernen.


Dieses Selbstverständnis erfolgreicher ProtagonistInnen war mit der Grundannahme verbunden, dass alle Menschen bewusst oder unbewusst dazu neigen, anderen mit Wohlwollen und Gerechtigkeit zu begegnen.


Eine solche Annahme kann punktuell einzelnen Handlungen zu Grunde liegen (siehe z. B. unten: Gütekraft in kleiner Münze). Sie kann darüber hinaus in der Erfahrung begründet sein, dass es Menschen immer wieder gelingt, egozentrische Befangenheit (die vielfach als „normal“ angesehen wird) abzubauen oder zu überwinden, indem sie konstruktive Beziehungen aufbauen. Und sie kann zu einer gütekräftigen Haltung werden, die das Selbstbild prägt." 

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Vom egozentrischen Denken

Zum beziehungszentrischen Denken

Hindernisse / Voraussetzungen für den Einsatz von Gütekraft

Gute Gedanken aus dem Buddhismus (danke, Stefan!)


Ein kräftiges Konzept der Gütekraft sollte vielleicht beinhalten, dass es von vornherein Hindernisse gibt und zwar in dem Menschen, der von der Kraft Gebrauch machen will. Es geht also nicht ohne Einsicht in das, was in einem geschieht - Achtsamkeit ist Voraussetzung, achtsam im denken, reden, handeln. (Danke, Stefan!)

  • Ich spreche nur, wenn das, was ich zu sagen habe, wahr ist, dem anderen nützt und nicht schadet, die richtige Situation dafür gekommen ist. Also der andere auch empfangsbereit ist. An dem letzten Punkt kann so einiges scheitern...
  • Die "Klassiker" im Buddhismus sind Gier (etwas unbedingt haben wollen), Hass (Ablehnung, etwas nicht wollen, auch Ursprung von Angst) und, last but not least, die Unwissenheit/Ignoranz. 


Friedemann Schulz von Thun (danke, Peter!)


Er ist von der Annahme ausgegangen, dass jeder menschliche Wert und jede Tugend in unserer dualen Wirklichkeit einen komplementären Gegenwert, eine „Schwestertugend“ hat, die man in einer genaueren Betrachtung unterziehen kann und soll. Hierzu ein Beispiel:



Sparsamkeit / Großzügigkeit

Geiz / Verschwendung


Es geht darum, dass der Wert der Sparsamkeit sich in einem positiven Spannungsverhältnis gegenüber der „Schwestertugend“, der Großzügigkeit befindet. So kann es beizeiten und Anlass bezogen gut und sinnvoll sein, wenn man in seinen finanziellen Ausgaben sparsam und zurückhaltend ist, dann aber zu gegebener Zeit großzügiger sein kann, wenn dies finanziell gut möglich ist. 

Eine Überhöhung und somit Übertreibung der jeweiligen Tugend würde zu den unteren Begriffen führen. Dann wird aus Sparsamkeit GEIZ und aus Großzügigkeit eben VERSCHWENDUNG. Schulz von Thun nennt das die entwertende Übertreibung der Tugend, die damit zugleich zunichte gemacht und ausgehebelt wird. Somit stehen Geiz, wenn nur dieser gelebt wird, ebenso wie die Verschwendung nicht mehr in einem positiven Spannungsverhältnis zueinander, sondern krasse Gegensätze. Und hier entstehend im Alltag auch Konflikte, wenn man sich wechselseitig als Geizkragen bzw. Verschwender bezeichnet und jeweils mit dem Finger auf den oder die andere zeigt.  Daraus folgt in der Überlegung, dass die Hinwendung zu einem konstruktiven Umgang mit den Tugenden (oben) jeweils über Kreuz führen sollte. Will sagen: Der zu Geiz neigende sollte sich mehr mit dem Thema Großzügigkeit beschäftigen, während der Verschwender wieder in Richtung Sparsamkeit schauen könnte bzw. sollte.

Was könnte das nun mit Blick auf Gütekraft bedeuten? Welche Schwestertugend hat sie? Gibt es auch dort eine entwertende Übertreibung auf beiden Seiten? Das Bild zeigt einen Versuch.

Initiativen und Organisationen

Bund für soziale Verteidigung

International Center on Nonviolent Conflict (ICNC)

Nonviolence Institute

Plattform zivile Konfliktbearbeitung

Resource Center for Nonviolence 

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